Tim Johl

Tim Johl wurde 1962 in Offenbach am Main geboren. Nach seinem Studium mit Abschluss zum Leder-Designer am renommierten Cordwainers Technical College in London, stieg er 1985 ins elterliche Unternehmen Seeger ein. Die Firma Seeger wurde 1889 gegründet und stand schon immer als Traditionsunternehmen für hochwertig gefertigte Lederwaren. 1991 gründete er seine eigene Firma „colin´s“, die mit den selben hohen Ansprüchen Leder-Accessoires gestaltet und produziert.

“Einfachheit ist das oberste Ziel meiner Entwürfe – sowohl in manufaktureller als auch in gestalterischer Hinsicht.”

Tim Johl über colin´s

(ein Interview mit Gabriele von Altenburg)

Gabriele von Altenburg: Herr Johl, Ihre Firma colin´s ist kürzlich 30 geworden, das hört sich nach “Halbzeit” an. Merken Sie die Auswirkungen?

Tim Johl: Da haben Sie recht, meine 1991 gegründete Manufaktur für sinnvolle Leder-Accessoires hat schon einige Jahre Erfahrung hinter sich. Ohne Zweifel eine spannende und sehr kreative Zeit. Als ich im Jahre 1991 mein eigenes Gewerbe anmeldete, um mich im darauffolgenden Jahr mit meinen ersten sieben Modellen aufzumachen, die Welt zu erobern, wusste ich natürlich nicht, wie weit ich kommen würde. Glücklicherweise hatte ich mit der Firma Teunen & Teunen und dessen Gründer und Freund Jan Teunen einen hervorragenden Vertriebspartner und Mentor. Der Start auf der Messe Ambiente in Frankfurt war fulminant und legte den Grundstein für die weiteren Jahre.

Gabriele von Altenburg: Sie stammen aus einer Familie mit großer Tradition im Bereich Lederwaren. Wie hat Ihre Familientradition Sie beeinflusst?

Tim Johl: Sie hat mich ganz sicher beflügelt. Wenn man einer „alten“ traditionellen Offenbacher Lederdynastie entspringt, so sagt man, hat man „Gerbsäure“ im Blut. Als mein Urgroßvater 1889 die Manufaktur von feinen Lederwaren gründete, hatte er höchste Ansprüche an die handwerklichen und gestalterischen Eigenschaften der produzierten Koffer und Taschen. Die Firma Seeger erhielt viele Design- und Handwerksauszeichnungen auf den verschiedenen Weltausstellungen im Lauf des letzten Jahrhunderts. Das durchgehend hohe Niveau der Arbeit meiner Ahnen und deren Firmenangehörige imponiert mir sehr und ist mir schon immer größter Ansporn, es Ihnen gleichzutun, wenn nicht sogar zu übertreffen.

Gabriele von Altenburg: Wie begann Ihre eigene „Leder-Karriere”?

Tim Johl: Mein Bruder und ich begannen schon im zarten Alter, im Keller unseres Elternhauses eine kleine Lederwerkstatt einzurichten. Wir bastelten viel und nähten eigens erdachte Ledertaschen. Vor Weihnachten mussten wir einige Überstunden einlegen, um die Familie mit entsprechenden Geschenken versorgen zu können. Die Produktionsetage der elterlichen Firma war unser „zweites Zuhause“ und wir machten uns früh mit den Fertigkeiten der dortigen Täschner vertraut. Nach der Schule war klar, dass ich dem elterlichen Betrieb beitreten sollte. Ich beschloss jedoch, ein paar Lehrjahre zu absolvieren: Ich ging nach London, um am renommierten Cordwainers Technical College das Lederhandwerk von der Pike auf zu erlernen. Das Studium war sehr umfassend und deckte das gesamte Repertoire von der Gestaltung, der Fertigung und alle maschinellen Aspekte ab. Glücklicherweise konnte ich schon während des Studiums einen von Harrods gesponserten Designpreis gewinnen.

Gabriele von Altenburg: Warum aber die Firmengründung? Wollten Sie nicht das elterliche Erbe antreten?

Tim Johl: Das war ursprünglich so gedacht. Im Laufe meiner ersten Jahre im Hause Seeger merkte ich aber klar, wo meine eigentlichen Schwerpunkte liegen: Meine Leidenschaft war und ist die Gestaltung und Entwicklung neuer Produkte – etwas, was ich in dieser Intensität so bei Seeger nicht hätte umsetzen können. Ich entschloss mich, eine eigene Firma zu gründen und sie nach meinem zweiten Vornamen Colin zu benennen: colin´s Leder-Accessoires. Das Mini-Unternehmen war als Tochterunternehmen angelegt und sollte sich um die Wünsche designorientierter Personen kümmern.

Gabriele von Altenburg: Wie ging es weiter mit Ihnen und Seeger?

Tim Johl: Ein Jahr darauf wurde Seeger an die MontBlanc/Dunhill-Gruppe verkauft und colin´s war bald auf sich allein gestellt. Das war aber kein Problem, da wir sehr schnell von der designorientierten Zielgruppe angenommen wurden.

Gabriele von Altenburg: Welche Werte spielen für Sie bei Design eine Rolle?

Tim Johl: Schon immer war ich begeistert von den einfachen Dingen: Warum kompliziert, wenn es auch eine einfache Lösung gibt? – Mich begeistern Alltagsgegenstände, schlichte und zeitlose Produkte, wie sie Dieter Rams für Braun gestaltet hat, reduzierte Möbel von Jasper Morrison oder schlichte Entwürfe mit überraschendem Witz wie die von Alfredo Häberli. Das japanische Wabi-Sabi, die Kultur des natürlichen Laufs der Dinge, hat mich schon immer beeindruckt.

Gabriele von Altenburg: Wie wird diese Einstellung bei Ihren Produkten sichtbar?

Tim Johl: Ich versuche, bei jedem Produkt ein paar ganz wesentliche Fragen zu beantworten: Was soll eine Tasche, zum Beispiel eine Reisetasche, leisten? Was ist überflüssig? – Neben der Praktikabilität und der einfachen Nutzung soll eine Tasche keine überbordenden Funktionen, kein Zuviel haben. Einfachheit ist das oberste Ziel meiner Entwürfe, sowohl in manufaktureller als auch gestalterischer Hinsicht. Bestes weiches Leder, der passende Futterstoff, einfache aber solide Metallteile und Reißverschlüsse tun ein Übriges, um ein wirklich langlebiges Produkt zu kreieren. Und zwar sowohl qualitativ langlebig als auch in ästhetischer Hinsicht.

Gabriele von Altenburg: Sie sagten, Ihr Unternehmen stünde vor einem neuen Lebensabschnitt. Welche Ziele haben Sie für die nächste Zeit?

Tim Johl: Ich versuche kontinuierlich, die Werte zu leben, die mich antreiben, sie für mich neu zu ergründen und weiter zu entwickeln. Dabei entstehen neue Ideen, die es umzusetzen gilt. Es sind diese neuen Herausforderungen, die mich am Morgen wach werden lassen. Im Moment sind einige spannende Projekte für colin’s in der Pipeline. Lassen Sie sich überraschen, was auf Sie zukommt!

Lesetipp: die Entstehungsgeschichte der Kollektion “by tim johl”.